Schloss Spiez und seine Geschichte

Erste Spuren

Erste Siedlungsspuren auf Spiezer Gebiet reichen in die Ur- und Frühgeschichte zurück, Grabbeigaben weisen etwa in die Zeit von 1750–1500 vor Christus hin. Bronze- und eisenzeitliche Funde lassen auf eine fortdauernde Besiedlung schliessen. Der archäologisch nachgewiesene Vorgängerbau der heutigen Kirche gehört in die Zeit des 7./8. Jahrhunderts. Ebenfalls karolingisch datiert wird das Grab einer aussen an der Südwand dieser Kirche bestatteten hochgestellten Persönlichkeit, ausgestattet mit verzierten Reitersporen und einem Scramasax (Kurzschwert). Es ist zu vermuten, dass auch das Areal des heutigen Schlosses bereits seit dem 7. Jahrhundert befestigt und besiedelt gewesen ist.

Urkunde von 762

Die erste urkundliche Erwähnung von Spiez fällt ins Jahr 762, als Bischof Heddo von Strassburg (um 697–776) testamentarisch dem Elsässer Kloster Ettenheim Kirche und Zehnten von Spiez nebst weiteren Gütern und Rechten vergabt. Die Kirche von Spiez reiht sich damit ein in den Reigen der frühen Thunerseekirchen, die dem hochburgundischen Kulturraum zuzurechnen sind.
 

Besitzergeschichte

Drei historisch bedeutende Besitzerfamilien – die Freiherren von Strättligen, die Herren von Bubenberg, die Stadtberner Patrizierfamilie von Erlach – prägen die Schlossgeschichte während rund 700 Jahre, vom ausgehenden 12. Jahrhundert bis 1875. Den Inhabern der Herrschaft sehen auch Kirchensatz und Patronatsrecht von Spiez zu.

Die Freiherren von Strättligen

Die ersten, in Quellen belegten Besitzer der Herrschaft Spiez sind die Freiherren von Strättligen, ein Geschlecht aus dem Berner Oberland. 1250 bezeugt Heinrich III. von Strättligen ein Rechtsgeschäft ausdrücklich als „dominus de Spiez“. Erstmals 1175 erwähnt, sterben sie vor 1350 im Mannesstamme aus. Im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert treten sie als Vögte von Wimmis auf, sie erwerben die Herrschaft Spiez, richten Vergabungen an das Kloster Interlaken aus und verfolgen gleichzeitig eine gezielte Heiratspolitik, die sie mit einflussreichen adeligen Familien auf eidgenössischem Gebiet verbindet.
Der kulturgeschichtlich bedeutendste Vertreter ist der historisch nicht eindeutig identifizierbare Minnesänger Heinrich [II. (oder III.)] von Strättligen, der mit drei Lieddichtungen – so genannten Minneklagen – in der berühmten Liedersammlung des Codex Manesse aus dem frühen 14. Jahrhundert vertreten ist.

Eine grosse Schuldenlast zwingt 1338 Johann [IV.] von Strättligen zum Verkauf der Herrschaft Spiez an die Herren von Bubenberg.

Ritzzeichnungen aus dem späten 13. Jahrhundert, welche im hochgelegenen Wohngeschoss des Turmes gefunden worden sind, erlauben einen Blick in die Alltagswelt des Oberländer Freiherrengeschlechts. Realistisch gezeichnete Turnierszenen illustrieren die dynastischen Verbindungen der Strättliger zu den Herren von Ringgenberg, von Weissenburg und Greyerz und weisen damit deutlich auf die starke lokale Verwurzelung hin, nicht minder bilden sie eine hervorragende ikonographische Quelle für die ritterliche Alltagskultur des Hochmittelalters.

Die Herren von Bubenberg

Die Bubenberg, eine ritterliche Berner Ministerialenfamilie, sind eng mit der Frühgeschichte der Stadt Bern verbunden und im 14. und 15. Jahrhundert eine der führenden Familien Bern.

Johann [II.] von Bubenberg (um 1290–1369), Schultheiss von Bern, erwirbt Burg und Freiherrschaft von Spiez mit allen Gebäuden und Rechten am 29. Oktober 1338 um die Summe von 5600 Pfund Berner Währung. Dazu gehören auch die Dörfer Spiez, Leissigen, Faulensee, Hondrich, Spiezwiler und Einigen. Wirtschaftliche Schwierigkeiten zwingen die Bubenberg gegen Ende des 15. Jahrhunderts Teile ihres umfangreichen Besitzes zu veräussern. Mit Adrian [II.] sterben sie 1506 im Mannesstamme aus, ihr Erbe – und damit auch Schloss und Herrschaft Spiez – gelangt zum grössten Teil durch Verkauf an Ludwig von Diesbach und von diesem schliesslich 1516 an die Familie von Erlach.

Die Familie von Erlach

Die Herkunft der Berner Familie von Erlach bleibt ungewiss. Sicher belegt ist 1299 ein Ritter Ulrich als Kastellan von Erlach im Dienst der Grafen von Nidau. Bereits um 1300 werden die Erlach Burger von Bern. Zünftig sowohl auf Distelzwang wie auch auf Schmieden, einer der für die politische Karriere wichtigen vier Vennerzünfte, steigen sie im Dienst an der Republik rasch zu einem der führenden Geschlechter Berns auf. Im Laufe der Jahrhunderte stellen sie zahlreiche Schultheissen, erwerben Herrschaften im engeren und weiteren Berner Gebiet, zeichnen sich als Heerführer in fremden Diensten aus und treten als kunstsinnige Bauherren in Erscheinung. Zu den bedeutendsten Vertretern der weitverzweigten Familie zählen der Berner Schultheiss Rudolf von Erlach, der Auftraggeber für die einbändige Chronik Diebold Schillings, die, während Jahrhunderten im Schloss Spiez aufbewahrt, nur mehr als Spiezer Chronik bezeichnet wird, sodann Franz Ludwig von Erlach (1575–1651), Herr zu Spiez, Schadau, Bümpliz und Oberhofen, Schultheiss von Burgdorf, von 1629 bis 1651 Schultheiss zu Bern, kunstinniger Schlossherr und Erbauer des prächtigen Festsaals im Schloss Spiez, aber ebenso Hans Ludwig von Erlach (1595–1650), Herr von Kastelen im Kanton Aargau, Gouverneur der Feste Breisach und Schöpfer der ersten eidgenössischen Wehrverfassung, weiter der politisch und militärisch versierte, prachtliebende Berner Schultheiss Hieronymus von Erlach (1667–1748) als Erbauer der Schlösser Thunstetten und Hindelbank und des Erlacherhofs in der Stadt Bern.

Während neun Generationen besitzt die Familie von Erlach das Schloss Spiez. Die Erlach, nehmen nun die einschneidendsten Veränderungen und Erweiterungen an der Bausubstanz vor. Insbesondere Franz Ludwig von Erlach (1575–1651), Herr zu Spiez, Schadau, Bümpliz und Oberhofen, bedeutender Staatsmann und von 1629 bis 1651 Berner Schultheiss, baut den Palas um und errichtet ab 1614 den prächtigen barocken Festsaal im 2. Geschoss.

Mit Ferdinand Rudolf Albrecht von Erlach (1821–1884), dem letzten Guts- und Schlossbesitzer von Spiez, endet die einst glanzvolle Zeit der Erlach auf dem Schloss am Thunersee. Beeindruckt vom beginnenden Tourismus im Berner Oberland, bringt sich Ferdinand von Erlach 1873 als Erbauer des Grand Hotel Spiezerhof nach Plänen von Horace Edouard Davinet (1839–1922) durch unglückliche Fehlinvestitionen um sein gesamtes Vermögen und ist in der Folge, im Jahr 1877 gezwungen, die Spiezer Schlossbesitzung zu versteigern.

19. und 20. Jahrhundert

Aus der Konkursmasse Ferdinands von Erlach erwirbt Hermann Karl von Wilke (1827–1896), Kaiserlicher und wirklicher Geheimer Legationsrat aus Berlin, die Besitzung am Thunersee. Fortan dient das Schloss seiner Familie als Sommerresidenz. Wilke baut die Anlage gemäss seinen Bedürfnissen um, errichtet zudem eine Orangerie und zeichnet auch bei einem ambitiösen Hotelprojekt in der Spiezer Buch für Seegrundaufschüttungen verantwortlich. Aus dem ehemaligen Pintenschenkhaus, das unmittelbar bei der Schlosskirche steht, wird ein hübsches Wohnhaus im Chaletstil, genannt Le Roselier.

Bereits 1900 geht das Schloss Spiez in den Besitz von Rosina Magdalena Gemuseus-Riggenbach (1831–1919) aus Basel über. Nur sieben Jahre später verkauft sie das Schloss weiter an ihren Neffen Dr. Wilhelm Schiess (1869–1929), wobei sie selbst ein lebenslanges Wohnrecht behält. Bereits 1922 sucht Wilhelm Schiess seinerseits einen Käufer für die anspruchsvolle und finanziell belastende Liegenschaft. Fünf Jahre lang bleibt die Suche erfolglos, bis sich 1927 die damals eben erst neu gegründete Schweizerische Vereinigung zur Erhaltung der Burgen und Schlösser der Sache annimmt. Die Vereinigung lädt zu einer Konferenz, deren Resultat die Gründung einer Stiftung ist, welche am 30. November 1927 unter dem Namen «Stiftung Schloss Spiez» errichtet wird.

Um die Schlossanlage kaufen zu können, müssen jedoch grosse Geldmittel beschafft werden, welche die Möglichkeiten der jungen Stiftung übersteigen. Also wird zum Zweck der Geldbeschaffung unter dem Motto «Erhaltet Schloss Spiez dem Schweizervolk» eine Lotterie durchgeführt, deren Resultat 115‘000 Franken sind. Die Gemeinde Spiez speist ihrerseits 30‘000 Franken ein, dies indes unter der Voraussetzung, dass inskünftig der Schlosspark für das Publikum geöffnet werde. Der Kaufvertrag der Stiftung mit Dr. Schiess kommt am 9. Juli 1929 zustande, dies obwohl noch 120‘000 Franken bis zum vollen Kaufpreis fehlen. Seit 1929 leitet nun die Stiftung die Geschicke von Schloss und Park in Spiez.
 

Baugeschichte

Vor dem 13. Jahrhundert

Die ältere Baugeschichte des Schlosses ist nur in Ansätzen geklärt. Die nahe Kirche aus der Zeit um 1000 spricht dafür, dass es auch einen Herrschaftssitz aus dieser Zeit gab. Ob es sich dabei um einen frühmittelalterlichen Herrenhof oder bereits eine Burganlage gehandelt hat, in Holz oder gemauert, ist unbekannt.

Die ältesten erhaltenen Teile des 13. Jahrhunderts

Der älteste Teil der heutigen Burg ist der um 1245 entstandene Turm, wie bei den bauarchäologischen Untersuchungen im Frühjahr 2019 bekannt wurde. Es handelt sich um einen Wohnturm von 30 Metern Höhe, der kurz nach 1241 in einem Guss vom Sockel bis zu den Zinnen errichtet wurde. Er stand auf der Sohle eines breiten Grabens, der den Geländesporn mit Schloss und Schlosskirche abtrennt. Dier westliche Grabenseite besteht noch heute, während die östliche im Hof im 18. Jahrhundert zugeschüttet wurde, so dass die untersten vier Meter des Turmsockels nicht mehr sichtbar sind.

An diesen Turm stösst von Süden und von Norden eine ebenfalls von der Grabensohle aufsteigende, zwei Meter starke Schildmauer. Ihr Nordabschnitt verläuft bogenförmig nach Nordosten. Sie entstand wahrscheinlich gleichzeitig wie der Turm.

An diese Mauer angebaut sind zwei mittelalterliche Gebäude, der breitere Nordbau und der anstossende schmälere Mitteltrakt. Zwischen diesem und dem Turm gab es eine drei Meter breite Lücke. Wahrscheinlich diente sie als Eingang in die Kernburg, eine Art Hof, der, der im Osten mit einer Mauer verschlossen war, in der es ein Portal mit Zugbrücke gab. Ob diese Bauten gleichzeitig wie der Turm sind oder erst später angefügt wurden, ist nicht bekannt. Ebenso wenig weiss man, wie sich damals der Südteil der Burg präsentierte. Die Schildmauer lief südlich des Turmes weiter, bog dann aber im Bereich der Hangkante, dort wo heute das Neue Schloss steht, nach Osten um.

Der Schlosshof zwischen diesen Gebäuden und der Kirche war bis ins 18. Jahrhundert im Norden und im Süden mit mittelalterlichen Ringmauern versehen. Am Ostende befanden sich das vorreformatorische Beinhaus, heute Garage und Aussichtsplattform.

Die Erbauer der mittelalterlichen Burg sind nicht bekannt. Zwar sind die Herren von Strättligen bereits 1175 erstmals erwähnt, als Besitzer der Herrschaft Spiez erscheinen sie aber erst 1290.

Umbau der Herren von Bubenberg

Sichereren Boden betritt man erst für die Zeit um 1450. Ein Grossbrand, der weite Teile des Schlosses verwüsteten, führten zwischen 1456 und 1469 zu einem Totalumbau. Dabei entstanden im Wesentlichen das heutige Volumen dun die heutige Einteilung von Mitteltrakt und Nordbau entstehen. Der Nordbau wurde um ein Geschoss aufgestockt und mit dem hohen Dach un den beiden Eckerkern versehen.

Der Mittelbau wurde nach Süden bis zum Turm verlängert vom Keller bis zum Dach ausgekernt und mit neuen Geschossbalkenlagen auf neuen Niveaus versehen. Damals entstand auch der westseitige Wendeltreppenturm. Abgeschlossen wurden die Erneuerungsarbeiten durch den heutigen Dachstuhl.

Wahrscheinlich auch in dieser Epoche, wenn auch einige Jahre später, wurde das heutige Torhaus errichtet.

Das Schloss unter den Herren von Erlach

Während in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts nur der Bau des Trüels (Trotte) zu erwähnen ist, gab es unter Franz Ludwig von Erlach eine Zeit grösserer Umgestaltungen. Es sind zwei Perioden zu unterscheiden. Die erste von 1598 bis 1601 war noch ganz in spätgotischer Tradition. Zum enen erhielt der Mittelbau dank der Aufstockung des Trüel neue Räume. Ausserdem verlegte man das Eingangsportal an seine heutige Stelle, so dass der grosse Raum im Erdgeschoss zur Eingangshalle wurde. Auch damals entstanden der markante dreigeschossige Erker und die Kreuzstockfenster des Nordtrakts.

Die zweite Periode von 1614 bis 1628 konzentrierte sich auf das Innere des Schlosses. Kernstück ist der prunkvolle frühbarocke Festsaal im Nordtrakt mit seiner überragenden Gipsstuckausstattung, der über einen ähnlich ausgestatteten Korridor erreicht wurde. Aber auch die Torhalle und der Raum darüber wurden entsprechend ausstuckiert. Ausserdem wurden meherere Zimmer reich mit beschnitzten Türen und Täferungen versehen.

Die Barockisierung der Anlage

Im Lauf des 18. Jahrhunderts wurde der verwinkelte Schlosshof zur grossräumigen barocken Esplanade; dafür erhielt unter anderem das Torhaus ein neues Portal, wurde der östliche Graben grossenteils zugeschüttet und die Terrassen mit Balustraden angelegt. Im Osten schlossen ein 1707 erstmal genannter Gartensaal und ein 1743 errichtetes Wirtshaus den Hof gegen die Kirche hin ab. Ab 1746 entstand südlich des Turms und des Torhauses das Neue Schloss, das von nun an als zeitgemässes Wohnhaus diente.

19. und 20. Jahrhundert

Unter Baron von Wilke wurde Schloss Spiez zu einer prachtvollen historistischen Villenanlage umgestaltet. Während am Altbau wenig geschah, wurde das Neue Schloss ab 1879 historisierend umgebaut. Westseitig wurde damals eine Terrasse aufgeschüttet, die in einen Park mit Orangerie überging. Auch der Graben wurde mit Grotte und Wegen zu einer Parkanlage umgestaltet. Das barocke Wirtshaus wurde 1880 zum im Schweizer Holzstil erneuerten «Le Roselier».

Seit 1927 pflegt und unterhält die Stiftung Schloss Spiez die Schlossanlage und wird dabei von der Kantonalen Denkmalpflege und der Archäologie beraten.

 

Literatur

  • Schweizer, Jürg; Hüssy, Annelies: Schloss und Schlosskirche Spiez, Bern: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte - GSK, 2015
    Im Museumsshop erhältlich
  • Erlach, Hans Ulrich von: 800 Jahre Berner von Erlach. Die Geschichte einer Familie. Bern: Benteli, 1989
    Im Museumsshop erhältlich
  • Publikationen der Spiezer Tagungen
    Im Museumsshop erhältlich


Abbildung: Albrecht Kauw, Spiez am Thunersee, um 1670, Aquarell, 23.5 x 39.5 cm, Ausschnitt. Bernisches Historisches Museum

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